Matthias Gerschwitz erreichte die Schülerinnen und Schüler mit einem offenen Vortrag über seine HIV-Erkrankung

Mit legerem Sweatshirt, Sneakers und Basecap steht Matthias Gerschwitz vor den Schülerinnen und Schülern der Unterstufe der Fachoberschule für Gesundheit und Soziales am Paul-Spiegel-Berufskolleg und beantwortet entspannt jede Frage. Der Berliner Werber und Autor ist Mitte 60, wirkt offen, authentisch und zugewandt. Seit 1994 lebt er mit der Diagnose HIV – und geht ganz selbstverständlich damit um.

Über sein Leben mit der HIV-Infektion hat er das Buch mit dem Titel „Endlich mal was Positives“ geschrieben und hält seit dessen Veröffentlichung Vorträge an Schulen. Zusammen mit Sandra Könning von der AIDS-Hilfe Ahlen besucht Matthias Gerschwitz jedes Jahr interessierte Schulklassen im Kreis Warendorf. Sein persönliches Anliegen ist die Aufklärung von jungen Menschen, denn er weiß, wie wichtig Wissen und Prävention sind. Er berichtet sehr offen über seine Infektion. „Die Ansteckung passierte bei ungeschütztem Sexualkontakt nach einer durchfeierten Nacht im Herbst 1992“, erzählt er ehrlich. Einen Vorwurf macht er seinem damaligen Sexualpartner nicht. „Ich hätte selbst aufpassen müssen und es gelte das Prinzip der geteilten Verantwortung. Jeder ist für seinen Schutz selbst verantwortlich.“

Die HIV/AIDS Pandemie begann in den 1980er Jahren. Die Erkrankung wurde zu dieser Zeit fälschlicherweise als „Schwulenseuche“ bezeichnet, da HIV damals vor allem mit homosexuellen Männern in Verbindung gebracht wurde, was zu massiver gesellschaftlicher Ausgrenzung, Stigmatisierung und Diskriminierung führte. Heute weiß man, dass eine HIV-Infektion jeden Menschen treffen kann. Das Virus wird durch ungeschützten Geschlechtsverkehr, Blutkontakt oder von Mutter zu Kind übertragen und nicht durch Umarmungen, Händeschütteln oder den Gebrauch von gemeinsamen Toiletten, wie fälschlicherweise von vielen Menschen geglaubt wird. Das Erkennen der Infektion ist häufig schwierig, da das Virus keine spezifischen Krankheitszeichen hat. Die Symptome ähneln einem grippalen Infekt und verschwinden meist nach einigen Tagen oder Wochen wieder. Deshalb wird HIV im Frühstadium oft nicht erkannt.

Bei Verdacht auf eine Ansteckung mit dem Virus hilft z.B. der HIV-Schnelltest, der nach Information von Sandra Könning z.B. bei der AIDS-Hilfe in Ahlen oder beim Gesundheitsamt durchgeführt werden kann. Über seine eigene Diagnose schildert Matthias Gerschwitz den nachfolgenden Ablauf. 1993 sei er in einer beruflich sehr anstrengenden Phase zum Arzt gegangen, da er sich nicht gut gefühlt habe. Seine Wahl fiel auf eine Praxis in der Nähe seines Berliner Wohnortes. Bei seinem ersten Termin habe der Arzt ihm Blut abgenommen und Gerschwitz habe gefragt, ob er auch einen „AIDS-Test“ machen könne. Der Mediziner hätte von ihm wissen wollen, warum er diesen Test möchte und er habe geantwortet, weil er als homosexueller Mensch zur Risikogruppe gehöre. Es sei ihm bis heute nicht klar, warum er diesen Test zu diesem Zeitpunkt verlangt habe. Einige Tage später habe er erneut die Praxis aufgesucht, um seine Blutwerte zu erfahren. Er erinnert sich noch genau an den Moment, als ihm der Arzt die Diagnose überbrachte: „Er saß mit gesenktem Blick vor mir und sagte, ich solle die Zeit genießen, die mir noch bleibe – und das Beste daraus machen.“

Diese Antwort habe ihn sehr wütend gemacht – allerding wisse er heute, dass der Arzt mit der Überbringung der Diagnose überfordert gewesen sei. HIV sei damals in der öffentlichen Wahrnehmung noch ein Todesurteil gewesen. Die Behandlung bestand aus einer Vielzahl von Medikamenten mit schweren Nebenwirkungen. „Ich muss heute nur noch zwei Tabletten am Tag nehmen und meine Viruslast liegt unter der Nachweisgrenze“, berichtet Matthias Gerschwitz. Die medikamentösen Therapiemöglichkeiten haben dafür gesorgt, dass HIV und AIDS für viele junge Menschen eher harmlos wirken.

Matthias Gerschwitz warnt davor, das HI-Virus zu unterschätzen. Es sei dem Virus egal, wen es befalle und die Nebenwirkungen der Medikamente bzw. die körperlichen Beschwerden seien nicht zu unterschätzen. Sandra Könning stellte den Schülerinnen und Schülern Informationsmaterialien zur Verfügung und verwies auf die Angebote der AIDS-Hilfe. Im nächsten Jahr werden Matthias Gerschwitz und Sandra Könning wieder eine Vortragsreihe an den Schulen im Kreis Warendorf anbieten.