Betriebspraktikum der Internationalen Förderklassen

Betriebspraktikum der Internationalen Förderklassen

Khanu Jimo durfte im Haarstudio My Look in Warendorf praktische Erfahrungen sammeln

Um den wirklichen Berufsalltag kennenzulernen, reicht es nicht, die Nase in ein Buch zu stecken. Aus diesem Grund blieben im Mai 2019 zwei Klassenräume im Paul-Spiegel-Berufskolleg leer: Die Schülerinnen und Schüler der Internationalen Förder­klassen sammelten drei Wochen lang berufliche Erfahrungen in lokalen Unternehmen unterschiedlicher Branchen. Das Spektrum der gewählten Berufsfelder spiegelt dabei die vielfältigen Interessen der Lernenden wieder: Vom Kindergarten bis zur Seniorenpflege, vom Friseursalon bis zum Vollsortimenter reichten die Praktikumsbetriebe. Eine Praxis für Allgemeinmedizin oder das Universitätsklinikum Münster waren ebenso vertreten wie soziale Einrichtungen oder Unternehmen des Einzelhandels und der Gastronomie.

Nach der Rückkehr in die Schule sind alle Schülerinnen und Schüler nicht nur um Praxis- bzw. Berufserfahrung reicher, sondern auch um ein Stück Lebenserfahrung. Die Lernenden äußerten sich mehrheitlich positiv bis begeistert. Das Praktikum hat bei einigen dazu geführt, einen Berufswunsch zu festigen oder sogar einen Ausbildungsplatz zu ergattern, wie der Schüler Wasf Alali berichtet und nun sehr motiviert in seine Zukunft blickt. Einigen fiel der Abschied und die Rückkehr in die Schule schwer, weil Kontakte geknüpft und Freundschaften entstanden sind, so die Schülerin Kinza Rizvi. Sie hat ihr Praktikum im Universitätsklinikum Münster absolviert und durfte ganz nah am Patienten arbeiten. Kinza ist sich hinsichtlich ihres Berufswunsch weiterhin ganz sicher: Sie möchte Ärztin werden.

Die Frage nach der Berufswahl oder der weiteren schulischen Laufbahn ist für viele Jugendliche ein heikles Thema, denn hier gilt es, eine Entscheidung zu treffen, welche die ganze Zukunft beeinflusst. Mit dem Fokus auf die Berufsfindung und einen möglichen und gelingenden Übergang in Ausbildung werden die Schülerinnen und Schüler der Internationalen Förderklassen von einem Team aus Lehrerinnen und Lehrern und der Schulsozialarbeit eng betreut. Sie lernen wöchentlich im Rahmen des Faches Berufsorientierung das deutsche Ausbildungssystem, die damit verbundenen Rechte und Pflichten und verschiedene Berufsbilder kennen. Dies alles unterscheidet sich zum Teil sehr von den Strukturen ihrer Heimatländer. Da es aber zwischen theoretischer Aneignung sowie persönlicher und praktischer Erfahrung einen Unterschied gibt, ist ein dreiwöchiges Betriebspraktikum wesentlicher und verpflichtender Bestandteil der Internationalen Förderklassen des Paul-Spiegel-Berufskollegs Warendorf.

Soziales Engagement kommt allen zugute

Soziales Engagement kommt allen zugute

Nach dem Abi wieder in der Schule: Diana Karpov unterstützt die Bildungsarbeit in den Internationalen Förderklassen mit Engagement

In der Abteilung Internationale Förderklassen begleitet sie die Kolleginnen und Kollegen im Unterricht, sie ist Mitglied des Multiprofessionellen Teams, unterstützt bei der Durchführung von Projekten und fördert eine kleine Gruppe von neu Zugewanderten beim Spracherwerb: Seit dem Schuljahr 2018/2019 profitieren sowohl die Lehrerinnen und Lehrer als auch die Schülerinnen und Schüler vom sozialen Engagement von Diana Karpov, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr am Paul-Spiegel-Berufskolleg absolviert. Und das mit großem Erfolg. Selbst einen Migrationshintergrund vorweisend konnte sie von Anfang an einen „guten Draht“ zu den Jugendlichen aufbauen und dabei vor allem die zunächst fast ausschließlich Russisch sprechenden Schüler durch Übersetzungen während des Unterrichts oder bei Elterngesprächen unterstützen. Ihr bisheriges Fazit: „Auch ich habe von den Schülerinnen und Schülern viel gelernt. Im interkulturellen Austausch hat sich mein Blick auf viele vermeintlich selbstverständliche Dinge erweitert.“ Eine klassische Win-Win-Situation, wie auch die Kolleginnen und Kollegen der Abteilung Internationale Förderklassenbestätigen: „Wir freuen uns sehr, dass der Kreis Warendorf es uns ermöglicht hat, für die herausfordernden Aufgaben bei der Beschulung von neu Zugewanderten eine FSJ-Stelle einzurichten. Frau Karpov hat sich für alle Beteiligten bereits in kurzer Zeit zu einer unverzichtbaren Kraft entwickelt.“

Für das kommende Schuljahr 2019/2020 ist das Paul-Spiegel-Berufskolleg aktuell wieder auf der Suche nach einer FSJlerin/einem FSJler. Informationen zur Bewerbung unter: www.kreis-warendorf.de

Ein Schuljahr überspringen

Ein Schuljahr überspringen

Die Prüfungskommission mit den vier Absolventen (v. l. n. r.): Matthias Ruch (Klassenlehrer), Regina Haugg-Vill, Romina Gonsior (Klassenlehrerin), Wael Eskeif, Shinda Sino, Sara Alnouri, Mohanad Sahyouni, Udo Lakemper (Schulleiter) und Carolin Herbst (Abteilungsleiterin Internationale Förderklassen)

Ohne einen in Deutschland anerkannten Schulabschluss sind die vier neu zugewanderten Jugendlichen zum Schuljahresbeginn an das Paul-Spiegel-Berufskolleg gekommen. Nach nur einem Schuljahr haben sie nicht nur den Hauptschulabschluss erworben, sondern darüber hinaus auch die „Berechtigung zum Besuch eines weiterführenden Bildungsgangs“. „Dies ist eine ganz besondere Leistung und in dieser Form auch nur in den Internationalen Förderklassen möglich!“, freut sich Abteilungsleiterin Carolin Herbst mit den Absolventinnen und Absolventen.

Die im Rahmen der sog. Leistungsfeststellungsprüfung erworbene Berechtigung ermöglicht es besonders leistungsstarken Schülerinnen und Schülern, ein ganzes Schuljahr zu überspringen. Dazu müssen die Jugendlichen Prüfungen in den Fächern Berufsbezogener Bereich, Mathematik, Deutsch und Englisch bestehen. Die Prüfungsteilnehmer werden im Vorfeld von der Klassenkonferenz ausgewählt und anschließend im Rahmen eines individuellen Förderunterrichts gezielt auf die Anforderungen der Prüfung vorbereitet.

„Für leistungsstarke neu Zugewanderte ist die Leistungsfeststellungsprüfung eine tolle Chance, Bildungswege zu verkürzen und schneller an das Ziel zu gelangen, eine Ausbildung oder ein Studium aufzunehmen. Herzlichen Glückwunsch an die vier Absolventinnen und Absolventen!“, so Schulleiter Udo Lakemper.

Fest der Vielfalt am Paul-Spiegel-Berufskolleg in Warendorf

Fest der Vielfalt am Paul-Spiegel-Berufskolleg in Warendorf

Gemütliches Beisammensitzen auf Picknickdecken

Auch in diesem Jahr fand am Paul-Spiegel-Berufskolleg in Warendorf kurz vor den Sommerferien das ,,Fest der Vielfalt“ statt. Dem Leitgedanken ,,Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ entsprechend trafen sich die beiden Internationalen Förderklassen und die berufsvorbereitende ,,Fit For More“ – Klasse sowie eine elfte Klasse des beruflichen Gymnasiums für Gesundheit und Soziales, um gemeinsam zu feiern. Die Planung und Durchführung übernahmen die Schülervertretung mit Unterstützung der Schulsozialarbeiterin Christina Bosch Dos Santos. Alle Klassen und zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer unterstützten das Fest mit Gerichten aus ihren Herkunftsländern, Spielen, Musik und Tänzen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer trafen sich auf der Wiese hinter der Schule. Bei den Spielen – wie Limbo oder Wikingerschach – und dem gemeinsamen Picknick lernten sich alle untereinander kennen. Zum Abschluss des Tages wurde noch viel zusammen getanzt. Es war ein erfolgreicher Tag bei schönstem Sonnenschein, mit viel Spaß und neuen Kontakten.

Frau Bosch dos Santos beim Limbo-Tanzen.

Reichhaltiges Buffet mit Köstlichkeiten aus verschiedenen Ländern.

Projekt „Vorurteile überwinden“ am Paul-Spiegel-Berufskolleg

Projekt „Vorurteile überwinden“ am Paul-Spiegel-Berufskolleg

Das Bild zeigt von links nach rechts Suliman Alsaid, Jonas Peterburs, Carina Freymuth und Oliver Rutz.

Was sind Vorurteile und woher kommen sie? Kein Mensch ist ohne Vorurteile – egal ob jung oder alt, ob Christ oder Muslim, es gibt keine Gruppe von Menschen, keine Religion oder Nationalität, die wir nicht mit bestimmten unüberprüften Eigenschaften in Verbindung bringen. Ob gewollt oder nicht, wir denken in Klischees. Problematisch ist es, wenn wir unsere vorgefertigten Meinungen nicht hinterfragen und keinen Raum für Individualität lassen.

An dieser Stelle, nämlich bei der Frage, wie wir am besten mit unseren Vorurteilen umgehen, setzte das Projekt „Vorurteile überwinden“ an. Ziel sollten die Stärkung der Interkulturellen Kompetenz sowie die Sensibilisierung füreinander sein. Die teilneh­menden Schülerinnen und Schüler sollten die Erfahrung machen, dass fremde Men­schen und andere Kulturen eine Bereicherung darstellen.

Zu Beginn wurden die Internationale Förderklasse1 (IFK1), bestehend aus Flüchtlin­gen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak sowie die Unterstufe der Zweijährigen Hö­heren Berufsfachschule (HHMU1) getrennt voneinander durch die Fachlehrerin Ro­mina Gonsior vorbereitet, indem in einem ersten Schritt eine Brief­freundschaft zwi­schen beiden Klassen initiiert wurde. Parallel dazu fand die konkrete Projektvorberei­tung in beiden Klassen statt, indem über die Entstehung und die eventuelle eigene Konfrontation mit Vorurteilen gesprochen und über Vorurteile in verschiedenen Berei­chen diskutiert wurde. Danach ging es um die Auseinandersetzung mit den Vorurtei­len, also um die Erfassung der Fragen, die einander gestellt werden müssen, um Vorurteile zu überwinden. „Welchen Stellenwert hat der Islam in eurem Leben?“, „Welche Gedanken hattet ihr, als ihr das erste Mal einen Flüchtling gesehen habt?“, „Praktiziert ihr eure Religion frei­willig?“, „Wie sieht ein normales Wochenende in Deutschland aus?“ Diese und zahl­reiche weitere Fragen wurden gesammelt und ver­schiedenen Bereichen, wie Tradi­tion, Kultur, Religion oder Ausbildung zugeordnet.

Das mit Spannung und Vorfreude erwartete Treffen fand dann kurz nach Abschluss der Vorbereitungen statt: Nach der herz­lichen Begrüßung durch Charlotte Baumhöfer und Kilian Surmann (HHMU1) stellten sich die Lernenden beider Klassen über die Dauer von drei Schulstunden ge­duldig und in offener Atmosphäre allen Fragen. Alle Schülerinnen und Schüler stell­ten fest, dass in anderen Kulturkreisen einiges anders ist, beispielsweise das Zeleb­rieren von Hochzeiten. Dennoch gibt es vieles, das uns alle miteinander verbindet, wie den Wunsch, ohne Angst und frei von Sorge ein un­beschwertes Leben zu führen oder individuelle berufliche und private Ziele zu ver­wirklichen. Eine Schülerin formu­lierte zum Abschluss gelun­gen: „Das Treffen war gut, weil wir heute viel Neues ge­lernt haben. Zukünftig werde ich mir genau überlegen, ob ich mit meiner Meinung richtig liege.“

In regem Austausch Mustafa Raafat und Sara Alnouri mit zwei Schülerinnen der HHMU1.

Integration erfordert Engagement

Integration erfordert Engagement

Delegation der türkischen Schulleiter gemeinsam mit Schulleiter Udo Lakemper (mittig rechts), Stellv. Schulleiterin Inka Schweers (hinten rechts), Karin Münstermann (Kreishandwerkerschaft) und Abteilungsleiterin Carolin Herbst (rechts)

Schon immer sind Menschen aus unterschiedlichsten Gründen nach Deutschland eingewandert. In den letzten Jahren allerdings ist die Zahl der Geflüchteten, die in Deutschland eine neue Lebensperspektive suchen, deutlich angestiegen. Damit stellt sich unweigerlich die Frage, wie die neu Zugewanderten gut und zügig in die Gesellschaft und auch in den Arbeitsmarkt integriert werden können.

Bei dieser wichtigen Aufgabe bekommt für Flüchtlinge ab einem Alter von 16 Jahren die Beschulung an einem Berufskolleg eine besondere Bedeutung, denn es ist der formulierte Auftrag dieser Schulform, berufliche und gesellschaftliche Handlungskompetenzen zu vermitteln und damit auf Ausbildung, Beruf und gesellschaftliche Teilhabe vorzubereiten. Da bei den neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern aber zunächst einmal die sprachlichen Fähigkeiten und ergänzend in der Regel weitere Qualifikationen wie z. B. in den Bereichen Mathematik oder Computeranwendungen entwickelt bzw. gefördert werden müssen, hat die Abteilung Internationale Förderklassen am Paul-Spiegel-Berufskolleg ein umfassendes und weitreichendes Bildungsgangprogramm entwickelt.

Über genau dieses informierte sich eine Delegation von Schulleitern aus der Türkei, Vertretern der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Kreishandwerkerschaft im Rahmen eines vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geförderten Projektes zur Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten für syrische Flüchtlinge, denn gerade in den Grenzregionen der Türkei, in denen besonders viele Flüchtlinge leben, werden die Integrationsbemühungen vor besonders große Herausforderungen gestellt. Hierzu stellten Schulleiter Udo Lakemper und die Abteilungsleiterin für die Internationalen Förderklassen Carolin Herbst das aktuelle Bildungsgangkonzept vor und gingen vor allem auf die zahlreichen Unterstützungs- und Fördermaßnahmen für die neu zugewanderten Schülerinnen und Schüler ein. „Unsere gute Vernetzung mit den Institutionen, Ausbildungsunternehmen und Menschen im Kreis Warendorf und das große Engagement der unterrichtenden Kolleginnen und Kollegen sind für uns wichtige Bausteine einer erfolgreichen Integrationsarbeit.“, so Carolin Herbst.

Während der Vorstellung des Bildungsgangprogramms gab es immer wieder Gelegenheiten für einen Austausch, bei dem auch drei geflüchtete syrische Schüler der Internationalen Förderklasse ihre Erfahrungen am Paul-Spiegel-Berufskolleg weitergeben konnten.

Am Ende der Veranstaltung zog Schulleiter Udo Lakemper das Fazit: „Die Integration unserer neu zugewanderten Schülerinnen und Schüler gelingt dann besonders gut, wenn angemessene Rahmenbedingungen und ein hohes Engagement bei allen Beteiligten vorliegen. Dies zu realisieren ist unser Anspruch – entsprechend unserer Leitidee Passt. Persönlich. Professionell.“