Michelle Sendker (li.) verstärkte das Team einer Feinkostkonditorei in Sevilla

Michelle Sendker ist Schülerin der Höheren Handelsschule des Paul-Spiegel-Berufskollegs und gehört zu den 48 glücklichen Bewerberinnen und Bewerbern, die vom Europateam der Schule für das Auslandspraktikum im Oktober und November 2021 ausgewählt wurden. Anfang Oktober ging es los, für 4 Wochen, nach Wien, Dublin oder Sevilla. Dort arbeiteten die Schülerinnen und Schüler in Unternehmen, die ihrer Ausbildung und ihren Wünschen entsprachen. Sie lebten in Gastfamilien oder in Selbstversorgerappartements, besuchten nach der Arbeit einen Sprachkurs und tauchten in das Leben der Metropolen ein. Gefördert wurde das Praktikum durch „Erasmus+“. Das Paul-Spiegel-Berufskolleg wurde erneut akkreditiert. Mit dieser Auszeichnung genießt es viele Vorzüge im Förderprogramm „Erasmus+“. In diesem Jahr fällt die Förderung noch viel großzügiger aus, da das neue Erasmus-Programm höhere Fördersätze vorsieht.

Das Europateam des Paul-Spiegel-Berufskollegs hatte zunächst noch gezögert und war sich nicht sicher, ob es die vielen Ausreisen nun schon in diesem Jahr wieder anbieten oder nicht doch lieber noch ein Jahr warten sollte. „Wir fragten uns, was wird passieren, wenn plötzlich wieder alles abgesagt werden muss? Schließlich ging es ja nicht nur um die Lage in Deutschland, sondern auch um die in Österreich, Spanien und Irland“, so Studiendirektorin Maren Ohde, die das Europateam am Paul-Spiegel-Berufskolleg leitet. Das Reisen war ein bisschen schwieriger: Einreiseformalitäten erledigen, Impfzertifikate hochladen, QR-Codes anfordern, teilweise auch noch für Zwischenstopps in weiteren Ländern. Der Flug nach Wien wurde während des Check-Ins gecancelt und die Schülerinnen und Schüler mussten lange auf einen nächsten Flug warten.  Die Flugverbindungen waren schlechter als gewohnt, durch Umsteigen kamen die Schülerinnen und Schüler teilweise erst nachts an. Aber sie kamen an. Das Europateam ist froh, den Schritt gewagt zu haben. Alles ist gut gegangen.

Michelle wünschte sich in ihrer Bewerbung, in einer Küche in Sevilla arbeiten zu dürfen. Dieser Wunsch wurde ihr erfüllt. In der Feinkostkonditorei „gollerías‘“ (übersetzt Leckereien) bekam sie einen Praktikumsplatz. An der Seite ihrer Chefin Reyes Moreno konnte sie zusammen mit drei weiteren Mitarbeiterinnen leckere Süßigkeiten herstellen. So entstanden zum Beispiel Schokokugeln, Käsekuchen, Geburtstagstorten, Cookies mit Walnüssen und Schokotropfen. Die Backstube ist durch eine große Glaswand von dem Verkaufsbereich getrennt, so dass die Kunden den Mitarbeiterinnen beim Backen zusehen können. Die Konditorei erinnert ein bisschen an eine Weihnachtsbäckerei, mit sehr viel Liebe zum Detail. Man betritt den Raum und fühlt sich wohl. Auch Michelle fühlte sich sehr wohl an ihrem Praktikumsplatz. Sie liebt es zu backen, in der „gollerías“ konnte sie sehr kreativ sein und war stolz auf ihre Produkte, die große Anerkennung fanden und gerne gekauft wurden. Nach Feierabend ging Michelle „nach Hause“ zu ihrer Gastmutter. Dort erwarteten sie ein leckeres Essen und ihre beiden Mitschülerinnen Antonia Lindemann und Lena Heidebrecht, die ihr Praktikum in dem Museum „Museo de las Ilusiones“ und der Pension „La Vergara“ machten. Am Abend gingen die drei zusammen zum Sprachkurs, wo sie mit allen anderen der Warendorfer Gruppe Spanisch lernten. Auch das Spanischsprechen klappte immer besser. „Am Anfang habe ich kein Wort verstanden“, so Lena Heidebrecht. Die Spanier sprechen extrem schnell, zusätzlich spricht man in Sevilla noch Andalusisch, was bedeutet, dass das –s nicht mitgesprochen wird. Bis ich begriffen habe, dass meine Gastmutter mit „epañol“ und „Epaña“ nicht etwas zu Essen, sondern „español“ und „España“ meinte,…Aber mit der Zeit gewöhnt man sich an den Akzent und es wird einfacher“, lacht sie.

Reyes Moreno gehört mit ihrer Konditorei „gollerías“ zu den Glücklichen in Sevilla, die auch während des langen harten Lockdowns geöffnet haben durften. Die meisten Unternehmen mussten monatelang schließen, die Straßen waren wie leergefegt, überall wachte das Militär. „Ich musste nie schließen“, sagte sie. „Die Menschen waren froh, dass sie mich aufsuchen durften, ihre Lieben in dieser tristen Zeit mit etwas Schönem aus meiner Konditorei verwöhnen durften. Auf der Straße durfte man sich nicht lange aufhalten, aber man durfte hereinkommen, den Duft in sich aufnehmen, sich unterhalten und etwas Leckeres aussuchen.“

So ging es leider nicht allen Unternehmern in Sevilla. Maren Ohde reiste selbst für ein paar Tage nach Sevilla, um die Partneragentur und einige Schülerinnen und Schüler an ihren Praktikumsplätzen zu besuchen. „Auch wenn die Sevillaner weitestgehend zu ihrer Normalität zurückgekehrt sind, ist es anders als vor Corona. Die Pandemie sitzt vielen noch in den Knochen, das spürt man. Teilweise hat man das Gefühl, die Leichtigkeit, die in Spanien immer und überall zu spüren war, ist ein bisschen verloren gegangen.“

Auch die Partneragentur in Sevilla hat unter der Pandemie sehr gelitten. Vorher empfingen sie das ganze Jahr hindurch Schüler*innen und Student*innen aus ganz Europa, die sie in Praktika vermittelten. Und plötzlich wurde es 2020 still. Nicht ein einziger Praktikant aus dem Ausland kam nach Sevilla. Nun war in diesem Jahr die Wiedersehensfreude groß.

Die Firmen in Sevilla sind froh über das zurückgekehrte Leben und den Austausch mit ausländischen Praktikanten. Auch Reyes Moreno war sehr froh, dass Michelle für vier Wochen ihr Team verstärken durfte. Die beiden haben sich sehr gut verstanden, und beide waren traurig, dass die Zeit so schnell vergangen ist. „Meine Chefin war total nett zu mir“, sagt Michelle. „An einem Abend lud sie mich sogar mit zwei anderen Mitarbeiterinnen zum Essen in das Restaurant ihres Mannes ein.“ Dort gab es viele „tapas“ und es war ein sehr schöner Abend. Zum Nachtisch gab es noch einige Leckereien aus der Karte, hergestellt – wie sollte es anders sein – in der „gollerías“.

Alle sind dankbar, dass Erasmus+-Praktika nun wieder möglich sind.  „Es ist eine tolle Erfahrung, die wir nicht missen möchten.“ Da sind sich alle einig.